Ein Sonniger Tag

Cristina Vejmelka


Wenn eine carioca, eine Frau, die in Rio de Janeiro geboren ist, an den Strand geht, hat sie ein wahres Ritual, um sich auszuziehen. Ich sage carioca, aber ich meine damit alle Brasilianerinnen.

Im Park in Berlin f�llt mir das Fehlen dieses Rituals auf, oder die Abwesenheit der Sinnlichkeit im diesem Moment. Hier wird die Verbindung mit der Freiheit gemacht, mit der M�glichkeit, die Sonnenstrahlen direkt auf der Haut zu f�hlen. Der Umstand, da� sie fast acht Monate mit bedecktem K�rper verbringen, aber nicht nur mit Kleidung, sondern auch in der kalten Luft, bringt sie dazu, im Moment des Sonnenbads verzweifelte Bewegungen zu machen.

Das Ritual der carioca beginnt, wenn sie den Bikini kaufen geht. Erst �berlegt man, welche Marke die passenden Modelle f�r das Format ihres K�rpers entwirft. Oft mu� es nicht einmal eine ber�hmte Marke sein. Danach �berlegt man das Modell. Man stellt sich vor, wie das Bikinizeichen auf dem gebr�unten K�rper aussehen wird. Die Deutschen erschrecken sich �ber die Gr��e der brasilianischen Bikinis; sie meinen, es w�re wegen der unerme�lichen Hitze am Strand, oder wegen unserer indianischen Abstammung oder wegen eines poetischeren Grunds: die Brasilianerinnen sind wundersch�n, sch�n genug, um sich ohne Schamgef�hl zeigen zu k�nnen.

Doch wenn ich die deutschen Frauen sehe, wie sie gerade in den Park kommen, ganz normal angezogen, als ob sie von der Arbeit, aus der Schule, von einem Spaziergang usw. kommen, wie sie ihre Kleidung mit schnellen, frenetischen Bewegungen ausziehen, wie sie den BH �ffnen, ihn auf die Tasche werfen und sich auf die dicke Wolldecke legen... dann erinnere ich mich wieder an die carioca, die in diesem Moment noch immer die Farbe des Bikinis ausw�hlen w�rde; passend zur Mode, zu dem anderen Strandzubeh�r oder zu den anderen Bikinis, die sie schon hat.

Wenn sie mit ihrem neuen Bikini an den Strand kommt, breitet sie ihr Zubeh�r im hei�en Sand aus, und bevor sie die canga (ihr Strandtuch) auszieht, richtet sie das Oberteil des Bikinis, vergewissert sie sich, ob das Unterteil korrekt auf dem alten Strandzeichen ist, pr�ft sie, ob alles bedeckt ist oder auch nicht, je nach ihrem pers�nlichen Geschmack. Sie schaut sich noch einmal um, auf der Suche nach ihrem Publikum, denn alle - M�nner und Frauen - schauen, wer kommt und verfolgen deswegen das Ritual. Erst dann wird die carioca ihre canga �ffnen und sich in die Sonne legen.

Die Deutsche h�tte zu diesem Zeitpunkt schon die Sonnencreme auf beiden Seiten aufgetragen, h�tte schon Wasser getrunken, w�rde schon auf die Uhr schauen, um zu sehen, wie lange sie noch da bleiben kann, sorglos oben ohne. Die deutschen M�nner wurden durch die zivilisierte Ersteweltethik schon dazu gebracht, es zu banalisieren, nicht auf die Br�ste der Frau zu schauen, die neben ihnen liegt. Die cariocas w�rden die Vorstellung nicht ertragen, etwas so eigenes zu zeigen, ohne der Bewunderung ihrer �Anh�ngerschaft� sicher zu sein.

Nun das ist einer der Unterschiede zwischen dem Sonnenbad der carioca und dem der Berlinerin.

Cristina kommt aus Ipanema - Rio de Janeiro
Sie ist verheiratet und wohnt in Berlin.

https://www.vejmelka.de/cris/index.htm

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17-abr-2008