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Wenn eine carioca,
eine Frau, die in Rio de Janeiro geboren ist, an den Strand geht,
hat sie ein wahres Ritual, um sich auszuziehen. Ich sage
carioca, aber ich meine damit alle Brasilianerinnen.
Im Park in Berlin
f�llt mir das Fehlen dieses Rituals auf, oder die Abwesenheit
der Sinnlichkeit im diesem Moment. Hier wird die Verbindung mit
der Freiheit gemacht, mit der M�glichkeit, die Sonnenstrahlen
direkt auf der Haut zu f�hlen. Der Umstand, da� sie fast acht
Monate mit bedecktem K�rper verbringen, aber nicht nur mit
Kleidung, sondern auch in der kalten Luft, bringt sie dazu, im
Moment des Sonnenbads verzweifelte Bewegungen zu machen.
Das Ritual der
carioca beginnt, wenn sie den Bikini kaufen geht. Erst �berlegt
man, welche Marke die passenden Modelle f�r das Format ihres
K�rpers entwirft. Oft mu� es nicht einmal eine ber�hmte Marke
sein. Danach �berlegt man das Modell. Man stellt sich vor, wie
das Bikinizeichen auf dem gebr�unten K�rper aussehen wird. Die
Deutschen erschrecken sich �ber die Gr��e der brasilianischen
Bikinis; sie meinen, es w�re wegen der unerme�lichen Hitze am
Strand, oder wegen unserer indianischen Abstammung oder wegen
eines poetischeren Grunds: die Brasilianerinnen sind wundersch�n,
sch�n genug, um sich ohne Schamgef�hl zeigen zu k�nnen.
Doch wenn ich die
deutschen Frauen sehe, wie sie gerade in den Park kommen, ganz
normal angezogen, als ob sie von der Arbeit, aus der Schule, von
einem Spaziergang usw. kommen, wie sie ihre Kleidung mit
schnellen, frenetischen Bewegungen ausziehen, wie sie den BH
�ffnen, ihn auf die Tasche werfen und sich auf die dicke
Wolldecke legen... dann erinnere ich mich wieder an die carioca,
die in diesem Moment noch immer die Farbe des Bikinis ausw�hlen
w�rde; passend zur Mode, zu dem anderen Strandzubeh�r oder zu
den anderen Bikinis, die sie schon hat.
Wenn sie mit ihrem
neuen Bikini an den Strand kommt, breitet sie ihr Zubeh�r im
hei�en Sand aus, und bevor sie die canga (ihr Strandtuch)
auszieht, richtet sie das Oberteil des Bikinis, vergewissert sie
sich, ob das Unterteil korrekt auf dem alten Strandzeichen ist,
pr�ft sie, ob alles bedeckt ist oder auch nicht, je nach ihrem
pers�nlichen Geschmack. Sie schaut sich noch einmal um, auf der
Suche nach ihrem Publikum, denn alle - M�nner und Frauen -
schauen, wer kommt und verfolgen deswegen das Ritual. Erst dann
wird die carioca ihre canga �ffnen und sich in die Sonne legen.
Die Deutsche h�tte
zu diesem Zeitpunkt schon die Sonnencreme auf beiden Seiten
aufgetragen, h�tte schon Wasser getrunken, w�rde schon auf die
Uhr schauen, um zu sehen, wie lange sie noch da bleiben kann,
sorglos oben ohne. Die deutschen M�nner wurden durch die
zivilisierte Ersteweltethik schon dazu gebracht, es zu
banalisieren, nicht auf die Br�ste der Frau zu schauen, die
neben ihnen liegt. Die cariocas w�rden die Vorstellung nicht
ertragen, etwas so eigenes zu zeigen, ohne der Bewunderung ihrer
�Anh�ngerschaft� sicher zu sein.
Nun das ist einer
der Unterschiede zwischen dem Sonnenbad der carioca und dem der
Berlinerin.
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